Die nahbare Kunst eines nahbaren Künstlers erfahren
Vernissage : Der frühere Chirurg Dr. Wilhelm Schäberle gastiert noch bis zum 23.Juni mit seiner Ausstellung "Lebenswelten" in der Geislinger Siechenkapelle
von Brigitte Scheiffel
Sie dürfen alles anfassen”. inspirierte Dr. Wilhelm Schäberle alle Besucher, die am Freitag zu seiner
Ausstellungseröffnung in die Siechenkapelle nach Geislingen gekommen waren. Eine äußerst ungewohnte Erlaubnis eines Künstlers, mit aktiver Reaktion als Folge.
Allerdings sorgten nicht nur Berührungen und das Begreifen der Holz- und Bronzeskulpturen mit ihrer vielfältigen Symbolik für ein nachhallendes Kunsterlebnis, sondern auch Schäberle selbst: Ein nahbarer Mensch, der seine Werke mit sichtbarer Freude erläutert, der ausdrucksfähig und verständlich die Tiefe seiner Gedanken vermitteln und sein Gegenüber dadurch in den Bann ziehen kann. Im Ergebnis für alle eine große Bereicherung auf einer vertrauten Ebene, ganz getreu dem Titel: „Lebenswelten-Problemwelten”.
Als Chirurg war Schäberle mit Lebenswelten, die zu Problemwelten werden können, lange Jahre konfrontiert. Wie Annika Grüner im Namen des Kunst- und Geschichtsvereins bemerkte, „spiegelt diese Ausstellung auf perfekte Weise die Vereinigung von Medizin und Kunst wider.” Schäberle greift darin psychosoziale und gesellschaftspolitische Motive auf, wie zum Beispiel das Thema Aufbruch: Zum einen stößt eine männliche Figur durch eine alte Sphäre, letztere symbolisch dargestellt als Halbkugel, als eigene Welt, während zum anderen dahinter noch die Geborgenheit zu sehen ist. Eine Schlangenkopfhaut, liegt auf seiner Hand als Symbol für Neues, für eine Häutung. Da ein Aufbruch nicht immer gelingt, durchdringt eine andere Figur die Halbkugel nicht. Auf der Rückseite der Halbkugel kauert eine weitere Figur, um-klammert nachdenklich die durchbrechende Figur, ist aber selbst nicht bereit zu folgen.
In einer weiteren Arbeit verarbeitet der Künstler das Ich, das Es und das Über-lch in der Form einer Schale. „Wenn alles im Einklang ist, dann klingt sie auch und wird zur Klangschale.” – Er sprach’s und ließ sie erklingen.
Bronzeskulpturen, Holzarbeiten und auch Malereien zieren den Innenraum der Siechenkapelle, die über diese Ausstellung auch selbst wieder wahrgenommen wird, zudem für ein ausgefallenes Ambiente sorgt und deren Bänke zu Ausstellungstischen wurden.
Dazu kommen die Reste alter Fresken und – worauf Schäberle besonders verwies – auch von Rötelzeichnungen der einst hier untergebrachten Menschen, die schon damals auf diesem Weg Emotionen vermittelten. Ein schöner Spannungsbogen zum Thema, was Kunst überhaupt vermag. Schäberle hat sich damit intensiv auseinandergesetzt und auf seiner Homepage unter www. sculptures-by-schaeberle.de ein Essay veröffentlicht, das sich zu lesen lohnt. Ebenso wie ein Besuch dieser Ausstellung, denn
Führungen übernimmt er selbst, jeweils sonntags um 15 Uhr. Die Ausstellung in der Geislinger Siechenkapelle öffnet bis zum 23. Juni jeweils sonntags in der Zeit von 14 bis 17 Uhr.