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Ausstellung Siechenkapelle Geislingen

Kunst in der Siechenkapelle Geislingen

Zur zunehmenden Aussonderung von Leprakranken kam es durch ein Edikt aus dem Jahr 643, daß Leprakranke als „tamquam mortuus“ (also „gleichsam tot“), also sozusagen „lebendige Tote“ (von der Gemeinschaft ausgestoßene) anzusehen seien und Hintergrund von Siechenhäusern und Siechenkapellen ist ein Erlass auf dem dritten Laterankonzil (Laterankonzil weil mittelalterliche Konzile nicht im Vatikan sondern im Lateran, dem römischen Bischofssitz stattfanden) von 1179, der festlegt,

dass mit der Aussonderung von Leprakranken (daher der Name Aussätzige) zum Schutz der gesunden Bevölkerung mit lebenslänglicher Quarantäne in Siechenhäusern, auch zugehörige Kapellen errichtet werden sollen.

Die Hausordnung in Siechenhäusern verpflichtete die Leprakranken zu täglichen Gebetsstunden und „klösterlichem Gehorsam“.

Örtliche Anforderungen an Siechenhäuser:

  • Außerhalb der Stadtmauer
  • In der Nähe eines Flusses – hier die Fils
  • An einer Durchgangsstraße, damit die Kranken betteln konnten

Die Siechenkapelle Geislingen ist der Rest eines 1398 erstmals erwähnten Siechenhauses, das 1811 abgebrochen wurde. Die Kapelle sollte im Jahre 1993 vom damaligen Eigentümer, der Bundesrepublik Deutschland, abgebrochen werden. Durch die Initiative des Kunst- und Geschichtsvereins Geislingen konnte dies verhindert werden. Die Stadt Geislingen erwarb daraufhin die Kapelle für den symbolischen Betrag von einer D-Mark, sie wurde renoviert und steht inzwischen unter Denkmalschutz.

Die spätgotische Kapelle enthält Reste von Wandmalereien die den Passionszyklus und das jüngste Gericht sowie die Auferstehung Jesu darstellen

Sakrale Gebäude waren schon früh Orte in denen Kunst allgemein zugänglich in Wandmalereien präsentiert wurde.

Zentrale Komponenten dieser Kunst waren:

  • Kunst zur Kontemplation, zur Reflexion und zum Nachdenken.Die Ästhetik mit opulenter Gestaltung in Farbe und Form soll als eye-catcher fungieren, die Aufmerksamkeit für die religiösen Aussagen wecken und den Betracher in Bann ziehen.
  • Kunst die Geschichte und Geschichten erzählt
  • Kunst mit einer Utopie, einer Hoffnung auf Veränderung und Verbesserung jedoch im Jenseits

An diese Komponenten können, übertragen auf die heutige Wirklichkeit und Weltwahrnehmung, dann auch Intention und zentrale Elemente heutiger Kunst anknüpfen, wenn diese sich sozialkritisch versteht, jedoch Utopie als einen Ansatz auf Veränderung und Verbesserung im Diesseits, also an gesellschaftlichen Lebensbedingungen und politischen Wirklichkeiten verstanden wird.

Und mit denselben Elementen bzw. Komponenten möchte ich einen Spannungsbogen zu meiner Ausstellung von moderner Skulpturen- und Gemäldekunst in der Siechenkapelle in doppelter Weise zeichnen:

  • Skulpturen aus Bronze, Holz und Stein sowie Gemälde, die zum Nachdenken, zum Hinterfragen und zur Kritik an gesellschaftlichen Bedingungen anregen soll und Utopien wie auch Träume wecken soll.
  • Kunst eines Arztes bzw. Chirurgen auch mit Aufarbeitung seiner medizinischen Wirklichkeit in einer Siechenkapelle, zugehörig zu einem ehemaligen „Krankenheim“ (Siechenhaus).

Der Spannungsbogen zwischen Resten der gotischen Wandmalereien und der eigenen modernen Kunst wird durch Rötelzeichnungen von leprakranken Insassen des Siechengelände an einer Kapellenwand in eindrucksvoller Weise komplettiert.

Diese sind als deren Ausdruck ihrer Lebensbedingungen und Emotionen zu sehen und assoziieren mit den bekannten, auch in meiner Kunst aufgegriffenen Kriterien moderner Kunst:

  • subjektiv, indem sie nicht von tradierten Weltbildern und deren Abbildung ausgeht, sondern eine neue Wirklichkeit entwirft. 
  • originell, indem sie diese eigenen Ideen in einer eigens entwickelten Formensprache, eigenen Farbenkompositionen und eigenen Stilmitteln zum Ausdruck bringt. 
  • authentisch, indem sie sich nicht an Regeln wie z. B. der Proportionenlehre orientiert, sondern das Wesen der Dinge nach eigenen Kriterien darstellt und mit eigenen Darstellungsformen selbst auszudrücken versucht. 
  • individuell indem sie eine eigene Weltwahrnehmung und Wirklichkeitsverarbeitung der Menschen, die sie erschaffen, zeigt. 

Sie ist damit offen für die Interpretation und die Deutungen derer, die sie Betrachten und die Bedeutung von Kunst über Jahrhunderte hinweg lässt sich unter einem Dach erfahren.

Reste jahrhundertealter Rötelzeichnungen (ca 16./ 17. Jahrhundert) von Insassen des Siechenhauses komplettieren den Spannungsbogen von Resten der sakralen Wandmalerei (14. Jahrhundert) in der Siechenkapelle zu meinen ausgestellten Skulpturen und Gemälden
 

 

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Ausstellung 3. Mai 2024 bis 23. Juni 2024, jeweils sonntags von 14:00 Uhr bis 17:00 Uhr

Führungen jeweils sonntags 15:00 Uhr 

Bilder von der Vernissage am Freitag, 3. Mai 2024

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Video von der Vernissage